6. Oktober 2021

Vom Schämen und Beschämtwerden

Sich schämen oder fremdschämen. Um ehrlich zu sein, habe ich mir bis jetzt noch nie konkrete Gedanken gemacht, über das Schämen und dessen verschiedenen Arten.

Ich habe das Gefühl, sobald ich durch manche Privatsender zappe, das Grenzüberschreitungen allgegenwärtig sind. Ab und zu verirren sich solche Grenzüberschreitungen auch in meiner sorgsam gehüteten Social-Media-Blase. Nach der Lektüre des Buches "Vom Schämen und Beschämtwerden", ist mir nun klar, dass ich es hier offenbar mit Überschreitungen der Schamgrenze zu tun habe. 

Dieses diffuse Gefühl, irgendwie ein Knäuel aus aufsteigender leichter (manchmal auch heftiger) Übelkeit, Starrheit und Widerwillen. Der Verlust oder drohende Verlust von Würde. Niemand will Scham empfinden und doch - oder gerade deswegen - empfehlen Udo Baer und Gabriele Frick-Baer in ihrem Buch 'Scham als berechtigte Wärterin unseres Selbst zu achten'.

Beim Schreiben werde ich immer mit meiner eigenen Schamgrenze konfrontiert. Sie zeigt sich zumeist getarnt als kritische Stimme. All zu oft wurden wir auch in der Schule beschämt, wenn wir schrieben. Thema verfehlt. Nicht Genügend. Danke, setzen. Dieses Dilemma zieht sich quer durch alle kreativen Bereiche: singen, zeichnen, malen. Ach Herrje, wenn ich an meinen Musikunterricht denke, kommt sie sogar jetzt noch hoch, diese kleine Übelkeit. Diese Angst, etwas falsch zu machen und wieder beschämt zu werden, ist uns in Fleisch und Blut übergegangen. 

Baer schreibt, das manche Menschen, die unter ihrer Scham leiden, anderen Menschen gar nicht mehr in die Augen schauen können, um zu überprüfen, ob deren Blick freudig, fragend, wie auch immer, ist. Sie gehen fix davon aus, dass der Blick abwertend sei. Sie müssen das Hinschauen und Deuten der Blicke erst wieder erlernen. Oft auch durch nachfragen, empfehlen die Autoren. "Schaust du mich gerade abwertend an?", "Bist du auf mich ärgerlich?" Ich frage mich, wie oft geben wir uns unserem "Scham-Kopfkino" hin und finde Baers Statement beruhigend: "Wer solche Fragen stellt, ist nicht mehr auf seine Fantasie bei der Interpretation angewiesen, sondern erhält konkrete Rückmeldungen. Er kann sicher sein, dass sich zumindest ein Teil seiner Scham damit erübrigt."

Fazit: Eine klare Leseempfehlung! "Vom Schämen und Beschämt werden | Wie wir unser Innerstes schützen" aus der Reihe "Bibliothek der Gefühle" von Udo Baer und Gabriele Frick-Baer.


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