Auftrag annehmen, ja oder nein?

In einer Dreierbeziehung

In einer Dreierbeziehung

Ach nein, nicht schon wieder ... Elsa hat mich erblickt und steuert schnurstracks auf mich zu, ohne eine Sekunde ihren Blick zu senken, felsenfest entschlossen, mir den neuesten Klatsch zu erzählen. Ich schaue mich um, ob ich noch irgendwo ein Fluchtweg, wenigstens ein Mauseloch ist,  dann steht Elsa auch schon schnaubend vor mir. "Stell dir vor", legt sie sofort los, ohne mich zu begrüßen. "Stell dir vor, die Susi ist jetzt mit dem Thorsten zusammen."  Das letzte Mal hieß er doch Jörg, denke ich. Als ob Elsa meine Gedanken gelesen hätte, fügt sie hinzu: " ... und mit dem Jörg auch ...". Ich möchte keine weiteren Details hören, nicht hier, nicht heute, nicht jetzt ... "Ich weiß Elsa", entgegne ich besonders verständnisvoll. "Dreierbeziehungen sind sehr kompliziert." Elsa schaut mich verdutzt an. Ich nutze ihre Atempause, verabschiede mich und ziehe mit meinem Hund weiter.

Mein Hund schnüffelt genussvoll am Grashalm, während sich über mich dunkle Wolken zusammenbrauen. Die Begegnung mit Elsa geht mir nicht aus dem Kopf. Gleichzeitig lastet eine Anfrage auf meinen Schultern. Eigentlich sollte ich mich freuen über eine lukrative Anfrage für mehrere Workshops. Doch irgendetwas sagt mir, dass hier etwas nicht stimmt. Sofort meldet sich mein innerer Finanzminister und droht mir mit erhobenen Zeigefinger. Ich seufze. Mir ist klar, dass der Umsatz dieses Auftrages mehr als Wellness für mein Bankkonto wäre ... Nach gefühlten Stunden hebt mein Hund sein Bein und wir können endlich weitergehen. 

Was soll denn hier nicht stimmen, frage ich mich. Ein seriöses Unternehmen, klare Anforderungen, na ja relativ klare jedenfalls. Doch immer, wenn sich in der Vergangenheit dieses mulmige Gefühl eingeschlichen hat und ich trotzdem den Auftrag angenommen habe, wurde es schwierig. Oft verdammt schwierig! Dieses mulmige Gefühl, das beeindruckt meinen Finanzminister nicht. Er möchte Zahlen-Daten-Fakten. Faktisch gesehen, sollte ich mich jetzt aber wirklich über die Anfrage freuen, oder?

Stopp, zu spät! Mein Hund wälzt sich in irgendetwas, ich will lieber nicht wissen, worin. "Du bist genauso nervig, wie die Elsa", fauche ich ihn an. Meine Laune ist unter dem Gefrierpunkt gesunken, da kann ja keine Freude aufkommen. Ich ärgere mich und ich ärgere mich, dass ich mich ärgere. Wunderbar, schuld daran sind sicher Elsa und mein Hund. Als wäre das nicht genug, meldet sich eine weitere innere Stimme: "Wolltest du nicht nur mehr Aufträge annehmen, die ...?" Dieses "Wolltest-du-nicht ..."! Die Quelle meines schlechten Gewissens. Und diesmal saß es richtig tief, stammte es doch von meiner inneren Visionärin.

Ich halte meinen Hund an, schneller zu gehen und nicht bei jedem Grashalm in meditative Ebenen zu versinken. Nun trottet das Hundetier stinkend und ebenso mies gelaunt neben mir her. Ja, miese Laune überträgt sich eben. Und ja es stimmt, ich wollte keine Aufträge mehr annehmen, die nicht wirklich zu mir passen und bei denen ich - auch ohne faktische Gründe - eben dieses mulmige Gefühl habe

Ich fühle mich hin- und hergerissen und denke an Susi. Wie hin- und hergerissen muss sie wohl sein? Ich lobe mir die beiden Silben "so" und "lo" in Solopreneur, denn meine Dreierbeziehung zwischen meiner inneren Visionärin, meinem Finanzminister und mir werden zumindest offen geführt. Meine Laune hebt sich wieder ein wenig, kompliziert bleibt es allemal. Wem bin ich und bleibe ich treu? Meinem Bankkonto oder meinen Vorsätzen oder einfach nur mir selbst? Ich entscheide mich für die dritte Variante; ich entscheide mich für mich und schiebe meinen Hund unter die Dusche. Dann beschließe ich, noch einen weiteren Gesprächstermin mit dem vakanten Auftraggeber zu vereinbaren. Vielleicht löst sich danach mein mulmiges Gefühl auf, was ich zwar anzweifle, aber das Gespräch hilft mir, mein Gefühl faktisch zu belegen und meinen Finanzminister zu beruhigen. Das hoffe ich und klappe meinen Laptop auf.

Am nächsten Morgen treffe ich wieder auf Elsa. Vielleicht sollte ich es mir angewöhnen, eine halbe Stunde früher zu gehen. "Stell dir vor", beginnt Elsa wieder, "die Susi ist nun Single." Elsa ist dabei, richtig loszulegen, doch ich eile grußlos mit meinem Hund davon. Nein, heute nicht, heute möchte ich nicht über komplizierte Dreierbeziehungen und deren abruptes Ende nachdenken. Nachdenken, reflektieren oder achtsam sein heißt nicht, jeden Gedanken in seine molekularen Einzelteile zu zerpflücken. Und die Susi, die kenne ich nicht einmal.

Wie geht es mit der Entscheidung Aufträge anzunehmen oder nicht? Hinterlasse mir gerne ein Kommentar.

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