Reels ohne tanzen und Popo wackeln, geht das?

Zwischen einzig und artig

Zwischen einzig und artig

Ich sitze über meinem Social Media Plan und wieder springt mir dieser Begriff ins Auge, von dem alle sprechen, ohne den auf Instagram gar nichts mehr gehen soll. Fünf Buchstaben, die mich nervös machen: REELS. Reels, jene kleinen lustigen Videos mit - mehr oder weniger leichtfüßig - tanzenden Protagonisten.

Ich selbst hatte es noch nie mit der Leichtfüßigkeit und beim Tanzkurs bin ich bei Polka kläglich gescheitert. Ständig kamen mir die Füße meines Tanzpartners dazwischen. Nun gut, das ist immerhin schon fast dreißig Jahre her, aber bei manchen musikalischen Klängen, die Reels untermalen und mich erschrecken, höre ich die Polka-Klänge von damals heraus, auch wenn sie sich cool im Rap- oder WasweißichfürMusik-Mantel daherschleichen.

Raketenreichweite ohne Raketenwissenschaft, das versprechen Social Media Experten und schwören auf Reels. Doch verflucht, wie bekomme ich sie ohne Tanzen und Popo-Wackeln hin? Meine wenigen Versuche Reels mit Grafiken und Fotos zu erstellen schossen wohl eher unter die Decke statt durch, aber in der sich gleichförmig bewegenden Masse, tanzte ich aus der Reihe. Meine Reels, sie waren sicher einzigartig. Einzigartig war wahrscheinlich auch die Zeit und die Nerven, die ich für deren Erstellung investiert habe, aber Übung macht ja bekanntlich den Meister. Stellt sich nur die Frage, soll ich artig der Reel-Masse folgen oder einzig bleiben in meiner (Posting-)Welt. Was sind die Folgen?

Einzig und allein zu bleiben, keine Reichweite zu haben, das klingt für mich nach Einsamkeit und Isolation, für die Social Media gerade nicht erfunden wurde. Aber artig der Tanz-und-Popo-Wackeltfraktion zu folgen, verliere ich da nicht meine Einzigartigkeit, mein herzallerliebstes 'Einzig'? Ich habe Modern Talking, Tamagotchi und Pokemon Go überlebt. Ein Hoffnungsschimmer am Horizont erstrahlt: Sind Reels vielleicht auch nur ein Trend? Kann ich nun den Kopf in den Sand stecken und warten bis die Reels vorüberziehen, um mein 'Einzig' zu retten? Kopf in den Sand stecken? Einzig oder artig sein? Das sind hier die Fragen.

Abseits von Reels und Social Media bemerke ich immer mehr Artigkeit statt Einzigartigkeit. Es fühlt sich an, wie bei den Reels: Individualität wird gepriesen, Gleichschaltung scheint ein indirektes Muss zu sein. Für meine Individualität "brauche ich", "muss ich", "solle ich" höre ich die ganze Zeit. Aber was, wenn dieses "Müssen", "Brauchen" oder "Sollen" nicht in meine Welt passt? Passe ich dann nicht in diese Welt? Ein brandgefährliches, verletzendes Gedankenspiel. Ein Gedankenspiel, das uns unserer Individualität beraubt, wollen wir doch alle dazugehören. Der Aphorismus des Schweizer Medienanalysten Heimito Nollé bringt das Dilemma auf den Punkt: „Wir sind so individualistisch geworden, man kann uns kaum mehr unterscheiden.“ 

Und wieder kommen mir die Reels in den Sinn. Ich öffne meine App und werfe einen Blick hinein. Der Algorithmus ist gnädig und hat wohl Wind bekommen, dass mich Reels mit tanzenden oder Grimassen schneidenden Menschen nerven und ich finde doch ein paar ansprechende Beispiele. Meine Motivation, mich nochmals in dieses Thema hineinzufuchsen, nimmt zu, aber alles Schritt für Schritt. Also ist es offenbar doch möglich mein 'Einzig' zu behalten und trotzdem artig bei Reels mitzumachen. Einzig oder artig? Eine Frage, die vor allem in Zeiten wie diesen nach einem ständigen Überdenken verlangt.  

Nun du: Hast du schon Erfahrungen mit Reels? Wie siehst du die Sache mit der Einzigartigkeit? Hinterlasse mir gerne ein Kommentar.




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